Kaspar Hauser; Erste Weltkrieg; Beziehung England und Deutschland
Posted by Terry Boardman on Aug 21, 2014 in auf deutsch, First World War, most recent | 0 commentsTerry Boardman, Vortrag:
Kaspar Hauser, der Erste Weltkrieg und die Beziehung zwischen England und Deutschland
Kaspar-Hauser-Festspiele 2014, Ansbach, Deutschland 2. August 2014
Guten morgen. Ich möchte Eckart Böhmer danken, mir die Gelegenheit zu geben nochmal hier bei den Kaspar Hauser Festspielen zu sprechen, zu diesem Thema das nicht nur für unser Verständnis der Vergangenheit so wichtig ist sondern auch für die Zukunft Europas. Ich muß aber mit zwei Bitten um Ihre Entschuldigung beginnen. Erstens, daß ich mein Vortag im alten mittelalterlichen Stil wegen der Schwäche meines gebrochenen deutsch vorlesen muß and zweitens, daß Sie sicher viele undeutsche Ausdrücke und Satzfolgerungen hören werden. Entschuldigung.
Im 19. Jahrhundert waren deutsch-englischen Beziehungen im Ganzen gut – bis in die 1890er. In vielen Bereichen der Kultur – in der Kunst, Wissenschaft und Philosophie, um Inspiration zu finden blickten Engländer nach Mitteleuropa. Der Erste Weltkrieg war jedoch eine Katastrophe für die deutsch-englischen Beziehungen, und sie haben sich wirklich noch nie erholt. Es wurden Versuche unternommen, die Beziehungen in den 1920er und 30er Jahren zu reparieren, aber durch den Aufstieg Hitlers und Churchills und durch den 2en Weltkrieg wurden sie viel weiter beschädigt. Zwischen 1900 und 1918 wurde eine stereotype unangenehme Bild von Deutschland und den Deutschen in den Köpfen vieler Engländer durch unzählige Weisen in der Medien der Zeit eingedrückt, eine im wesentlichen pseudo-preußischen Bild Pickelhaubes, Schmisse, Monokel, Starrheit und Arroganz, ein mekanistisches Bild von System- und Effizienzwahn, das ständig in den Medien verstärkt wurde und dort noch im Unterbewusstsein bleibt, wenn auch nicht so kraß wie in den vergangenen Jahrzehnten. Dieses Bild war in vieler Hinsicht ein verzerrtes Selbstbild der britischen Oberklassem. Ich werde später auf diesen Punkt zurückkommen.
Dieses Jahr hat es in England eine Vielzahl von Kommentaren von Medien-Persönlichkeiten, Akademiker und Politiker über die Ursachen des Krieges gegeben. Die Mehrheit dieser Kommentaren wiederholten, was in England 1914 und 1919 betont wurde – dass England 1914 ganz zu Recht gekämpft hatte und dass Deutschland die Hauptschuld für den Krieg tragen soll. Die These von Christopher Clarks Buch «Die Schlafwandler», ein Buch das hier in Deutschland geschätzt zu sein scheint, hat kein ähnliche Eindruck auf die Öffentlichkeit in England gemacht. Nur Fachkreise und einige Journalisten sind sich davon bewusst. Das Buch «Katastrophe» von dem chauvinistischen Establishment-Historiker Max Hastings ist das Buch, das in all den britischen Buchhandlungen in bester Lage steht und das energisch gefördert wird. In der Regel wird in den britischen Medien sehr wenig getan, um das britische Volk mit den Völker des Kontinents, geschweige denn Deutschland bekanntzumachen; im Gegenteil, ‹Europa› wird ständig verhöhnt und verspottet in den englischen Medien, entweder auf krassen oder auf subtile Weisen, wie zum Beispiel auf BBC Nachrichtensendungen. Doch in beiden Weltkriegen wäre England kein Sieger gewesen, wenn es nicht von Amerika finanziert und geliefert worden hätte, und wenn Amerika dann auf der Seite der Ententemächte in den Krieg nicht eingetreten hätte. Und doch reden viele Briten immer noch, als wenn England ganz allein Deutschland besiegt und die Weltkriege gewonnen hätte. 300 Jahre der Weltmacht haben in den britischen Bevölkerung Gewohnheiten der selbstgefällige Überlegenheit, die noch bleiben, und die nur allzu leicht wiedererscheinen, entweder im politischen Leben oder im Alltagsgespräch. Auch Weltmacht kann zu Drogensucht werden und es ist sehr schwer, solche Gewohnheiten aufzugeben. . Wie gehen wir persönlich mit Drogenabhängigen um?
In seiner ausgezeichneten Studie über die Politik der Entente, schrieb Keith Wilson, Historiker an der Universität von Leeds in den 1980er Jahren:
Die Erfindung von Deutschland seitens viele Berater… im englischen Foreign Office (FO, Auswärtigen Amt)… hat für sie wichtige psychologische Bedürfnisse erfüllt. Je weniger schmeichelhaft wurde die Darstellung von Deutschland, desto mehr schmeichelhaft wurde die Darstellung von England. Das Bild, daß viele am FO hatte von sich selbst hing auf ihr Bild von Deutschland ab. Die Darstellung ihrer negativen Deutschlandbild war die einzige Möglichkeit für sie, ihr Selbstachtung wieder herzustellen.
und noch weiter:
Sir Edward Grey und seine Beamten verwendeten ihr Bild von der Vergangenheit als Modell für die Gegenwart. Deutschland wurde so zugeschnitten, diejenige Rolle zu spielen die die Briten brauchten, um mit sich selbst leben zu können.
Diese einsichtige Beobachtung gilt noch mehr für 1940 und dem Zweiten Weltkrieg und gilt noch heute. Die Flagge von England ist die Flagge von Skt. Georg, und der Mythos von der Rettung der hilflosen Prinzessin durch St Georg vor dem bösen Drachen ist einer Mythos, der ein starken Ton bei den Engländern noch trifft. 1914 wurde Belgien als die Prinzessin angesehen; 1939 wurde es Polen. In beiden Fällen wurde Deutschland als der Drache und England als Skt. Georg betrachtet. Der konservative Historiker Max Hastings hat sich so extrem geäussert, dass er sagt dass der einzige Unterschied zwischen den ersten und den zweiten Weltkrieg besteht nur darin, dass es im 1. Weltkrieg «keine Genozid gegen die Juden» gab. Bitte stellen Sie sich vor: Wenn England durch Jahrhunderte einst an der Spitze der Weltmacht war und doch nun muss es machen das was andere befehlen, erinnern sich viele Engländer liebevoll und wehmütig die guten alten Tagen, wenn sie und ihres Land die Oberhand hatten und wenn sie sich so ritterlich benehmen konnten, um die Prinzessinnen zu retten und die Drachen zu schlagen. Es ist schwer, diese Phantasie aufzugeben.
Die Herren, die das Auswärtige Amt c.1900 verwalteten, waren alle Mitglieder der britischen Elite. Ein hundert Jahre früher im Zeitalter von Lord Stanhope war das umso mehr der Fall. Stanhope selbst war nicht irgendein Engländer oder irgendein englischer Aristokrat. Ultra-konservativ, exzentrisch und reaktionär in seiner politischen Handlung, hatte der 4. Graf Philip Henry enge Verbindungen zu dem Schriftsteller, Politiker und Okkultist Sir Edward Bulwer-Lytton und seinem Kreis und damit auch auf den jungen Benjamin Disraeli. Stanhopes Enkel war Lord Rosebery, Außenminister und Ministerpräsident in den 1890er Jahren, der Gründer der liberal-imperialistische Fraktion der Liberalen Partei aus den 1880er Jahren, und die politische Mentor seiner drei treue Gefolgsmänner, die drei Männer die die britische Regierung in den Krieg 1914 geführt haben: der Premierminister Herbert Asquith, der Außenminister Sir Edward Grey und Richard Haldane, Kriegsminister und Kanzler. Der 4. Graf Stanhope hatte auch enge Familienbände zu den Familien Pitt und Grenville und der von Lord Carrington, dessen Nachkomme der Kopf der NATO und der Vorsitzende der Bilderberg-Gruppe für mehrere Jahre war. Also, historische Fäden von Philip Henry Stanhope führten in verschiedene Richtungen.
Was waren die Ursprünge des britischen Antipathie für Deutschland, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist? Shakespeare hat seine berühmteste Drama Hamlet 1600 geschrieben. Es ging um einen Prinzen von Dänemark. 3 Jahre später, Jakob I., der mit Anna von Dänemark verheiratet war, wurde der erste König der ganzen Insel von Großbritannien. Während der Regierungszeit Jakobs I ging eine weitere bedeutende geistige und kulturelle Bewegung ging von Deutschland hinaus: Die Rosenkreuzer-Bewegung tauchte auf von etwa 1612. Die Rosenkreuzer waren meistens heftig anti-päpstlich, eine Gesinnung die von dem militant protestantischen englischen Kronprinz Heinrich, dem Sohn Jakobs I., geteilt war. Aber diese fromme junge Verfechter der protestantischen Sache wurde von einem seltsamen Krankheit plötzlich niedersgeschlagen. War das Gift? Darüber sind die Historiker nicht sicher. Wenn Henry zum König geworden wäre, ist es wahrscheinlich, daß England den 30-jährigen Krieg in voller Kraft getreten wäre, in Unterstützung der deutschen protestantischen Fürsten, wie Gustavus Adolfus, der schwedische König im Jahr 1630, und mit den Engländern in dem Kriege voll einbezogen, wäre dann vielleicht das Ergebnis des Krieges sehr unterschiedlich geworden wäre. Aber zu dieser Zeit war es nicht Englands Schicksal wieder auf dem Kontinent verstrickt zu werden. Jakob und seine Minister wollte nicht in den Krieg eintreten, weil sie wussten, dass nur durch den Frieden mit Spanien würde England in der Lage sein, seine kommerzielle Reichweite über die ganze Welt und vor allem in Asien zu verbreiten. Die Britische Ostindien-Kompanie, 1600 gegründet, hat bereits viele reiche Männer viel reicher gemacht. Eines der wichtigsten Elemente in der Ausdehnung Englands war diese Kompanie, die schließlich zu einem Weltkonzern geworden ist, fast einem Staat in sich selbst, mit seinen eigenen Armee, Krankenhäuser und Schulen. Unter Jakob I. begann dann die Ausbreitung der Insel von Großbritannien, um letztendlich den Umfang des gesamten Globus zu umfassen.
Jakob suchte Frieden mit allen Länder und wollte für seinen zweiten Sohn Charles eine katholische Prinzessin und für seine Tochter Elizabeth einen deutschen protestantischen Fürst. Der deutsche Prinz den er 1612 wählte, war der Fahnenträger der protestantischen Hoffnungen in Deutschland. Doch Jakobs Weigerung, seinen Schwiegersohn Friedrich von der Pfalz 1618 maßgeblich zu unterstützen, war ein Grund dafür, daß der Dreißigjährige Krieg so lange dauerte. Die kontinentalen protestantischen Staaten waren nicht stark genug, um vollständig die katholischen Habsburger zu besiegen, und als der Krieg zu Ende ging, lag Deutschland zerschlagen und etwa zwischen Nord und Süd.
Die Rosenkreuzer-Bewegung war ein spirituelle Impuls im Einklang mit einem neuen Zeitgeist im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in Deutschland. Um eine neue reformierte Gesellschaft zu schaffen, hat diese Bewegung sich eine Vereinigung von Religion, Kunst und Wissenschaft vorgestellt. Jakob wollte einer Friedensstifter zwischen Katholiken und Protestanten werden und doch hat dieser Quecksilber Monarche letztendlich beigetragen, die Rosenkreuzer-Bewegung zu behindern, die so vielversprechend in den Jahren 1614 bis 1618 zu sein erscheint hat und die in sich selbst eine hermetische und mercuriale Aspekt getragen hat. Aber die Bewegung ist in dem Chaos der 30-jährigen Krieg fast verschwunden. Jakob spielte auch eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Freimaurerei in England, die zum Hauptstrom der britischen okkulten Aktivitäten geworden ist.
Wenn von den okkulten, d.h. verborgenen Aktivitäten jener Zeitalter gesprochen wird, muß man auch nicht versäumen die eigentümliche Beiträge und Begabungen einer besonderen Familie zu erwähnen. Das ist die Cecil Familie. Es ist beachtenswert zu bemerken daß zwei Generationen dieser Familie eine bedeutsame führende Rolle sowohl am Anfang des britischen Empires wie auch am Beginn des Endes des Empires gespielt haben. Mit der Übergang von Elisabeth I zu Jakob I 1603, d.h. mit der Annahme von der englischen Elite eines schottischen König als König von den ganzen britischen Inseln, spielten William Cecil also Staatssekretär (Kanzler) und seinen Sohn Robert, auch Staatssekretär nach dem Tode seines Vaters, eine allerwichtigste Rolle. Die Übergang 1603 zwischen den Dynastien wurde im Verborgenen durch die Cecils arrangiert. Und diese beide Männer William und Robert wurden auch die Gründer des englischen Gehiemdienstes der sehr aktiv auf dem Festland arbeitete um die Interessen d.h. die Interessen der englischen protestantischen Elite, geführt von Familien wie die Cecils, zu schützen und zu fördern. Einer der Agenten der Intelligenznetzwerk der Cecils war John Dee, der Mathematiker, Okkultist und eigentliche Inspirator des Konzepts des britischen Empires. Seine Geheimziffer war 007. Es war vor allem die Cecils die den kriegerischen militant protestantischen Wille des englischen Volkes Krieg gegen Spanien weiterzuführen verhindert und blockiert haben. Zusammen mit dem friedliebenden Jakob I hat Robert Cecil Frieden mit Spanien durchgeführt um Englands kommerzielle Ausdehnung über die Ozean zu sichern.
Also, von dieser Zeit an, sehen wir die Bemühungen der britischen Elite mit okkulten Verbindungen und ständig zunehmenden Finanzkräfte auf dem Weg zur Weltmacht, und zu Nachteil von Frankreich, Deutschland und Russland.
Die Royal Society, (Königliche Gesellschaft) Freimaurerlogen, die Bank von England und die Britische Ostindien-Kompanie lenketn die Triebkräfte der englischen Entwicklung in den späten 17. und 18. Jahrhunderten. Im 17. Jahrhundert begann die Ausdehnung von England als eine Affäre von Piraten, Freibeuter und staatlich geförderte Handelsunternehmen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war es zu einem globalen Imperium in einem globalen Konflikt gegen Frankreich für die Beherrschung der Welt geworden. Zu diesem Zeitpunkt wurde England (jetzt Großbritannien benannt) von deutschen Könige aus dem Hause Hannover regiert.
Der erste von ihnen, Kurfürst Ernst Georg von Hannover, hatte mit seinem Sohn Georg von Hannover und dessen Gemahlin Karoline von Ansbach 1714 angekommen. Die Markgräfin Wilhelmina Charlotte Karoline von Brandenburg-Ansbach, eine hochintelligente, sehr gut gebildete Frau und Schüler der Königin Preußens, wurde Königin von England 1727-1737. In England wurde sie sehr populär und viele Zeitgenossene und auch Historiker sehen ihr als die Persönlichkeit die die Stellung der neuen deutschen Dynastie in England fest gesichert hat. Besonders bemerkenswert im Zusammenhang mit der Thema Kaspar Hausers ist die Tatsache daß es diese Karoline von Ansbach, als Kronprinzessin von England 1726 war die «den wilden Peter von Hameln» von Hannover nach England übergebracht ließ. Dort wurde Peter die Sensation des Hofes. Karoline hat auch arrangiert daß den berühmten Arzt Dr. Arbuthnot Peter zu einem normalen jungen Mann erziehen sollte. Leider war der Engländer Dr. Arbuthnot als Pedagoge nicht so geschickt wie der Deutscher Georg Friedrich Daumer, der erste Lehrer Kaspar Hausers. Der «wilde Peter» blieb wild und konnte nicht sprechen lernen. Die Ehe Karolines von Ansbach mit ihre Gemahl, König Georg II, war glücklich und liebevoll. Das erste Treffen der beiden jungen Leute ist in Triesdorf stattgefunden und alles wurde durch Georgs Großmutter Sophie von Hannover (auch als Sophie von der Pfalz bekannt) ganz geheim arrangiert. Diese Sophie war die Tochter Friedrichs von der Pfalz und seiner Gemahlin Elizabeth Stuart, Tochter Jakob I von England. Hier sehen wir etwas geheimnisvolles in der Zusammenhang zwischen England und dieser Gebiet um Ansbach. Später im 18 Jahrhundert würden zwei bedeutende Engländer in Ansbach ankommen – der Spionmeister Francis Jackson, der in seiner Jugend in Erlangen studiert hat und dadurch eine enge Freundschaft mit Sophie Karoline Marie, Markgräfinwitwe von Brandenburg-Bayreuth genieß. Sie sollte den englischen Kronprinz Georg (Georg III) verheiraten doch die Heiratsverhandlungen waren nicht erfolgreich. Bemerkenswert dann ist daß der junge Engländer Francis Jackson wurde zum Schützling und Vertrauter dieser kinderlosen deutschen Prinzeß. Fast zwanzig Jahre später, hatte Jackson eigenen Schützling, den jungen Philip Henry Lord Mahon, den späteren Lord Stanhope, der der Pflegevater Kaspar Hausers werden sollte. Auch er wurde Student in Erlangen und viele Jahre danach, sorgfaltig gebildet als politischer Agent von Francis Jackson und gesteuert von Jacksons Bruder Georg und Friedrich von Gentz, ist Stanhope 1829 in Ansbach kurz nach dem Angriff an Kaspar Hauser angekommen.
Aber zurück dem ersten aus Hannover kommenden deutschen König Englands, Georg I. Er war der Nachkomme von der Tochter Jakobs des Ien., die Friedrich von der Pfalz im Jahre 1613 geheiratet hatte. Aber die Macht in England im 18. Jahrhundert war nicht in den Händen der Königen, sondern lag bei dem Landadel und bei den reichen Kaufleuten und Finanziers der Londoner Finanzquartier. Diese Männer betrachteten alle ihre Interessen in der Maximierung des Welthandels. Eine kleine Gruppe von ihnen begann, mitten im 18. Jahrhundert, bewusst die Idee einer imperialen britischen Herrschaft über die Weltmeere und die Welt zu entwickeln.
Der endgültige Sieg Englands über Frankreich zwischen 1740 und 1815 wurde nur mit der Unterstützung der deutschen Staaten und von deutschen Soldaten geleistet, Männer von Hannover, Hessen, Preußen und anderswo, viele von ihnen waren unfreiwillige Söldner. Der Chefarchitekt des britischen Sieges Mitte des Jahrhunderts über Frankreich im Siebenjährigen Krieg, den einige Historiker als die tatsächliche ersten Weltkrieg bezeichnen, war William Pitt der Ältere, der Graf von Chatham. Einst sagte er: «Ich habe Amerika in Deutschland erobert.» Während Englands Verbündeten Friedrich der Große hielt die französische Armeen beschäftigt auf dem Kontinent waren die Briten in der Lage, die Französen in Nord America und in Indien zu besiegen und große Gebiete in diesen Regionen für sich zu erwerben. Dies war der eigentliche Beginn der heutigen Weltherrschaft der englischsprachigen Völker, des neuen römischen Reiches. Der endgültige Sieg Englands über Frankreich und der Anfang des Jahrhundert britischer Weltherrschaft wurde von der Waterlooschlacht im Jahre 1815 besiegelt. In dieser Schlacht kämpften mehr Deutsche als Briten.
Das Jahr 1776 war aus mehreren Gründen ein bedeutendes Jahr. In Bayern gründete der von Jesuiten ausgebildete Adam Weishaupt seine kurzfristige, aber sehr einflussreiche Orden der Illuminati, die ein paar Jahre später weit europäischen freimaurerischen Netzwerke infiltriert hatte und versuchte, eine neue Art autoritärer Weltrepublik zu verwirklichen. Während in Nord America eine andere neue Republik – wenn auch sehr viel auf einem griechisch-römischen Modell basiert – aus der Rebellion gegen König Georg III von England entstanden ist. Im gleichen Jahre 1776 redeten viele Leute in der englischen Kulturwelt über das Buch von Edward Gibbon, ganz neulich veröffentlicht - Verfall und Untergang des Römischen Imperiums – eine der einflussreichsten englischen Bücher in den nächsten 100 Jahren. Tatsächlich hatte in den vorherigen 100 Jahren der alte imperiale südeuropäische Geist der Römer in die Seelen der englischen Elite eingeschlichen, und viele in der englischen Elite waren jeztz der Ansicht England sei bestimmt, als das neue Rom die Welt zu beherrschen. Daher die Angst, die viele Leser durch Gibbons Buch spürten: sind wir auch zum Untergang bestimmt? Und daher der Beschluß der englischen Elite, nach dem Verlust der amerikanischen Kolonien, England nicht den Weg der Römer, den Weg zum Untergang zu lassen.
Diese waren dann die englischen Umstände im geschichtlichen Hintergrund des Zeitalters in dem Kaspar Hauser geboren wurde. Es war die Zeit des Aufstieges eines neuen römischen Reiches, eines Weltreiches, nicht die des politisch-militärischen napoleonischen Frankreichs, sondern das wirtschaftlich-militärischen Reich der englisch-sprachigen Menschen. England hatte es aufgerichtet und aus England war die neue Republik der Vereinigten Staaten entstanden, die allmählich ihre Elternteil übertreffen sollte und sich selbst die Rolle des neuen römischen Reiches der modernen Welt übernehmen sollte. Um die Zeit der Geburt Kaspar Hausers im Jahr 1812 hat die Forschungsarbeit eines englischen Freimaurers namens Godfrey Higgins angefangen – eine Arbei die zur Veröffentlichung von seinem enormen Werk Anacalypsis im Jahre 1833 führte - das Jahr in dem Kaspar getötet wurde. Ein recht typisches Produkt des rationalistischen Denkens der Aufklärung, das alle religiösen Phänomene einem einzigen archaischen Prinzip unterzuordnen suchte, das Higgins zufolge die Sonnenanbetung oder Sonnengottheit war. Das Buch wurde das umfassendste Kompendium von religiösen und spirituellen Gedanken die bisher in englischer Sprache veröffentlicht worden waren. Im Buch versucht Higgins zu zeigen, dass alle religiösen Traditionen einen gemeinsamen Ursprung in einer Zeit hatten, als die Menschheit dunkelhäutig war. Er schreibt:
Ich kann nicht daran zweifeln, dass es wirklich ein großartiges Reich oder eine Universelle, eine Pandæische oder eine katholische (d.h. inklusive, all-umfassende) Religion gewesen ist, mit einer Sprache, die über die ganze Welt ausgedehnt war, gleichzeitig vereinigend und regierend…
Es scheint mir kein Zufall, dass eine solche übergreifende Idee aus der englischsprachigen Welt gerade zur gleichen Zeit von Englands Aufstieg zur weltweit dominierende Macht entstehen sollte. Hier in dieser Begeisterung eines englischen Freimaurer des frühen 19. Jahrhunderts für eine archaische heidnische politisch-religiöse Kultur können wir vielleicht die esoterischen Wurzeln des in der englisch-sprachigen Welt, modernen pseudo-religiösen Glaube an der Organisation der Vereinten Nationen wahrnehmen. In England sieht man immer wieder diese Neigung, universelle Gründe in den dunklen archaischen Fernen der Vergangenheit zu suchen. Im Unterbewusstsein. In das was im Wesentlichen mystisch ist – ein materialistischer Mystizismus. Heute tut man das Gleiche in der genetischen Forschung, in der evolutionären Psychologie zum Beispiel.
Eine zentrale Idee in Higgins Buch ist die Vorstellung von dem Naros oder Neros Zyklus von 600 Jahren – einem astronomischen Luni-Solaren Rhythmus, der Higgins zufolge, eine Art Haupt-Schlüssel zur Erklärung der Geschichte sei. Er spricht vom Anfang einer neuen Welle der spirituellen und religiösen Geschichte alle 600 Jahren vom Aussehen einer großen spirituellen oder religiösen Figur. Er verwies auf Elia, Cyrus, und Jesus als Beispiele. Andere solche Führer oder Avatare wurden um 600, 1200 und 1800 nach Christus waren zu erwarten sein. Higgins betrachtet sich und seine Freimaurer Kollegen, der Herzog von Sussex, als die beiden erfahrensten Freimaurer in Großbritannien. Der Herzog, der 6. Sohn von Georg III und Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, und dem Onkel von Königin Victoria, war tatsächlich bis zu seinem Tod 1843 der mächtigste Freimaurer und Großmeister in Großbritannien zwischen 1813, als die britische Freimaurerei, die seit 1755 in zwei große Fraktionen aufgeteilt worden war, wieder vereint wurde. Es ist bemerkenswert, daß Higgins das Christentum als einen Mythos betrachtete und auch daß der Herzog von Sussex, als Großmeister der Vereinigten Großlogen, alle verbleibenden christlichen Elemente aus den Ritualen der Mainstream-britischen Freimaurerei enfernt hat. Freimaurer wie Higgins und der Herzog war also dann mit der Idee bekannt daß eine Art Avatar oder großen Führer um das Jahr 1800 zu erwarten wäre. Einige waren der Ansicht, daß dieser große Führer Napoleon sei. Wir können jedoch auch fragen, ob die erwartete Avatar-Figur nicht eher das genaue Gegenteil von Napoleon sein könnte – ein ganz andere Art von «Soldat», Kämpfer, Krieger - und doch dessen Schicksal sehr geheimnisvoll mit der von Napoleon verbunden war, nämlich Kaspar Hauser, dessen Mutter Stephanie de Beauharnais, Napoleons Adoptivtochter war. Aber sicherlich, hätte der Avatar eines neuen geistigen Impulses wahrscheinlich nicht die Weltherrschaft des britischen Empire bestätigt oder zelebriert. Jesus wurde durch das Römische Reich seiner Zeit gekreuzigt.
Wie gesagt, einer der leitenden Figuren im britischen Geheimdienst zu diesem Zeitpunkt war Francis Jackson, der enge Verbindungen zu Metternichs preußischen Privatsekretär, Friedrich von Gentz hatte. Er hatte die Geliebte von Gentz verheiratet. Höchstwahrscheinlich war es Georg Jackson, der Bruder von dem 1814 schon gestorbenen Francis Jackson, und damals in Berlin tätig, der den aristokratischen britischen Agenten Philip Henry, den 4. Graf von Stanhope, nach Wien schickte um Gentz und Metternich zu treffen. Stanhope wurde danach nach Wien abgeordnet sozusagen, mit der Aufgabe Kaspar Hauser aufzuspüren, als im Jahr 1816 in London und Wien festgestellt worden war, daß das Kind von Stephanie nicht 1812 kurz nach seiner Geburt gestorben war, wie damals angekündigt geworden war.
Hier sehen wir wieder Beweise für die bemerkenswerte Verbindung auf der höchsten sozialen Ebene zwischen dem englischen und deutschen Sprachraum, die nun schon seit der Ehe von Elizabeth Stuart und Friedrich von der Pfalz 1613 existierte. Zwischen Stanhope, Gentz und Metternich war jedoch die Verbindung ein sehr dunkle. Vergebens suchte Stanhope Kaspar Hauser 12 Jahre lang. Bemerkenswert ist, daß 1828, dem Jahr, in dem er von Kaspars Auftritt in Nürnberg efahren hatte, Stanhope auch seinen eigenen Sohn George verlor, der im Alter von 21 auf dem Seeweg nach Süd-Amerika, nach Brasilien, gestorben ist. Aus diesem Grund war 1828 eines der wenigen Jahre, in denen Stanhope nicht Monate auf den Straßen Süd-deutschlands auf der Suche nach Kaspar Hauser verbrachte.
Obwohl die Engländer nicht an der Entführung von Kaspar 1812 beteiligt waren, wurden sie nur 3 Jahre nach der Geburt von Kaspar an einem sehr bedeutenden Ereignis, daß kolossale Folgen für die Zukunft Deutschlands hatte, eindeutig beteiligt. 1815 am Wiener Kongress, an dem Kaspars Vater Großherzog Karl als der Vertreter Badens teilgenommen hatte, schlug der englische Außenminister Lord Castlereagh vor, daß das Rheinland, etwa das heutige Landes Rheinland-Westfalen, zu Preußen zugeteilt werden sollte. Mit diesem Vorschlag folgte Castlereagh der Politik von seinem politischen Mentor, dem verstorbenen William Pitt dem Jüngeren, Sohn von William Pitt dem Älteren, dem Architekten des britischen Empires den ich bereits erwähnt habe. Als Ministerpräsident hatte Pitt der Jüngere eine wichtige Rolle in der Führung des englischen Kampfes gegen Napoleon gespielt. Er ist im Januar 1806 gestorben, kurz nach den großen Schlachten von Trafalgar und Austerlitz. Seine Idee war es gewesen, Preußen als Englands Wache am Rhein gegen die Ausdehnung Frankreichs zu verwenden. Genau wie sein Vater Genau wie sein Vater William Pitt der Ältere, der preußische Soldaten gegen die Franzosen im Siebenjährigen Krieg und Hessen gegen die Franzosen und gegen die aufständischen Kolonisten in Nord America verwendet hatte, war der Gedanke Pitts des Jüngeren war, mit Hilfe Preußens, die Franzosen von den Niederlanden und vor allem aus den Städten Antwerpen, Gent, Amsterdam und Rotterdam, die so wichtig für den britischen Handel waren, fern zu halten.
1815 war die industrielle Revolution bereits in vollem Gange in England, jedoch war das Ruhrgebiet noch keineswegs das Industriezentrum von Deutschland, dass es später im 19. Jahrhundert wurde. Hatte man vielleicht in England irgendeine Ahnung, daß genau dieses Ruhrgebiet so wichtig in der industriellen Entwicklung Deutschlands werden sollte? Mit dem Erwerb dieses Gebietes durch eine britische Initiative, sozusagen, ein britisches ‹Geschenk› waren die geopolitischen Interessen Preußens nun nicht mehr vor allem in Osteuropa, wohin sie bisher gerichtet worden waren. Preußen hatte jetzt ein großes Interesse in Westeuropa und im Zusammenschluß der beiden Teile seiner Besitztümer, denn zwischen den Großteil Preußens und dem neuen rheinischen Territorium gab es jetzt einen engen Korridor von anderen kleineren Staaten. (Übrigens und interessanterweise ist das englische Wort für ein Geschenk ‹Gift›, und auf deutsch ist Gift kein Geschenk!)
Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen im Zollverein und mit dem Aufstieg Bismarcks zur Macht war Preußen schließlich in der Lage, seine Territorien im Norddeutschen Bund (1866-1871) zu vereinen. Das Ruhrgebiet wurde zur industriellen Antriebskraft der preußischen Militärmaschine, als Preußen und damit das neue deutsche Reich, zunehmend den französischen Militarismus und den britischen Industrialismus nachahmte. Ein anderes britisches ‘Geschenk’ – oder Gift – bekam Deutschland 63 Jahre nach dem Wiener Kongress. Das war am Berliner Kongress, 1878, als der britische Außenminister Lord Salisbury (direkte Nachkomme von William und Robert Cecil) vorgeschlagen hat, daß Österreich-Ungarn die Verwaltung der türkischen Provinzen Bosnien-Herzegowina übernehmen sollte. 30 Jahre später wurde die vollständige Annexion der beiden Provinzen durch Österreich-Ungarn zu einer großen europäischen Krise und zum Auftakt des Weltkrieges. Österreich-Ungarn und seine deutschen Verbündeten wurden dabei auf dem Balkan in eine Falle gelockt und leider sind sie nur allzuleicht in diese Falle gesprungen.
Bei der Wendung zu einer einheitlichen Nationalstaatsidee, zur Machtkonzepten von dem Militarismus und der Industrialisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wandte sich Deutschland von seinem eigenen Kulturerbe und höheren Interessen ab und versuchte stattdessen, die westlichen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien nachzuahmen. Und hier sehen wir ein Muster, eine Kombination von innerlichen und äußerlichen Faktoren, die Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert auf den falschen Weg gezwungen hat. Es waren nicht nur die eigenen Fehler der Deutschen die dafür verantwortlich waren; es waren auch die egoistischen Handlungen Englands; es waren nicht nur Ausländer, die in Deutschland für Deutschland einen Irrweg bahnten; es waren auch die Deutschen selbst. Das Schicksal von Kaspar Hauser war hier symptomatisch. Stanhope war ein Engländer; er hat Kaspar verführt und ihn von seinen Beschützern in Nürnberg weggezogen, damit er isoliert wurde und hier in Ansbach ermordet werden konnte; und nach Kaspars Mord hat Stanhope eine unehrliche ekelhafte Verleumdungskampagne gegen Kaspar initiert, eine Kampagne die noch bis heute fortwirkt – auch im englischen – aber die Reichsgräfin Luise von Hochberg, der Major Hennenhofer, Fürst Metternich von Österreich, König Ludwig von Bayern, und die Großherzogin Sophie von Baden – diese waren keine Engländer. Schädliche, ungesunde Elemente in den deutschen und englischen Völker, und besonders innerhalb ihrer jeweiligen Eliten, haben zusammengearbeitet, Kaspar Hauser zu zerstören und dabei daran gehindert daß Deutschland und Mitteleuropa den gesunden Weg in die Zukunft zu gehen. Stattdessen ist Deutschland ein anderen Weg gegangen – und wurde ein Land wie Frankreich, wie Großbritannien, für Macht und Nationalstolz begeistert. Es wurde das Land von Bismarck und Krupp. Die Kultur der Dichter und Denker wurde in einen Staat von Pickelhaube und Panzer verwandelt. Und als Deutschland in das Gebiet der Macht, und später das Gebiet der Weltmacht einzutreten suchte, betrat es unweigerlich die Arena der Konkurrenz um die Weltherrschaft, welche das britische Empire als sein eigenes betrachtete und das beschlossen hatte, darauf keine Konkurrenz, keine Herausforderung zu dulden.
1831 besuchte der französische politische Denker Alexis de Tocqueville die USA und 1835, d.h. zwei Jahre nach dem Tode Kaspar Hausers, veröffentlichte er das Buch Über die Demokratie in Amerika. Darin schrieb er:
Es gibt jetzt zwei großen Nationen in der Welt, die von verschiedenen Ausgangspunkten ausgehend, in Richtung auf das gleiche Ziel Fortschritt zu machen scheinen: nämlich, die Russen und die Anglo-Amerikaner … Es scheint, eines geheimen Planes der Vorsehung gemäss, dass eines Tages jeder von ihnen in seinen Händen die Geschicke der Hälfte der Welt halten wird.
Unter Wilhelm II. sollte Deutschland versuchen, verhängnisvollerweise, mit diesen beiden Großmächten um die Weltmacht zu konkurrieren. Dieser Wettbewerb zwischen den beiden Großmächten, und die Verwirklichung Deutschlands in diesem Wettbewerb, führten direkt zum Ersten Weltkrieg.
Doch 1829, als Stanhope zum ersten Mal Kaspar Hauser traf, oder 1816 als er zum ersten Mal den Auftrag Kaspar aufzuspüren bekam, war Deutschland sehr weit davon entfernt, ein Konkurrent um die Weltmacht zu werden. Es war nicht einmal ein vereinter Nationalstaat, sondern eine Sammlung von rund 39 Staaten im Deutschen Bund. Warum also wurde ein Prinz von einem der kleineren dieser Staaten, Kaspar von Baden, so bedrohlich für die Interessen der Großmächte angesehen, dass er getötet werden mußte? Sein Verhältnis zu Napoleon durch seine Mutter Stephanie bietet einen Teil der Antwort. Aber dieser politische Aspekt ist nur ein Teil der Antwort zur Frage warum Kaspar Hauser getötet wurde.
Am Ende, trotz seiner langjährigen Gefangenschaft in Pilsach bei Nürnberg zeigte Kaspar der Welt gegenüber, daß er ein ganz besonderes Wesen war. Als er 1828 im Alter von 15 Jahren aus seinem Gefängnis entlassen wurde, hatte er ein geistiges Alter von etwa einem 3 oder 4-jährigen Kind. Doch innerhalb von 5 kurzen Jahren, ist er zu einem jungen Mann seiner Zeit geworden, gebildet, im christlichen Glauben konfirmiert, ein fähiger Reiter und Maler, ein junger Mann, der eine anständige Stellung halten konnte.
Und obwohl er nicht mehr genau die reine Seele hatte, die zum Zeitpunkt seines ersten Auftauchens 1828 so viele Nürnberger bei ihm erstaunt hatte, wurde er noch von den meisten Menschen als ein feiner und außergewöhnlicher junger Mann angesehen. Ein besonderes Wesen. Nach fünf Jahren des Lebens in der Gesellschaft, hatte er nicht mehr die erstaunlichen Fähigkeiten die er 1828 hatte, aber er war immer noch ein junger Mann der mit einer bemerkenswerten Geselligkeit und Güte gesegnet war.
Wenn dieser bemerkenswerte junge Mann irgendwie zum Herrscher von dem was in Deutschland schon lange zum liberalsten Staat geworden wäre, d.h. Baden, wer weiß, was vor, oder im Revolutionsjahr 1848 passiert sein könnte? Oder vielleicht wäre das Revolutionsjahr gar nicht passiert? Es wäre sich ereignen können daß Deutschland nicht den einseitigen Weg Bismarcks gewählt haben könnte, sondern zusammen mit Österreich vielleicht, ein anderes Modell der sozialen und kulturellen Entwicklung, das mehr der Großdeutschlandsidee, vertreten durch Männer wie Konstantin Franz geglichen hätte, ein Modell, das Mitteleuropa zwischen Großbritannien und Russland eine gesunden Ausgleichsrolle zu spielen ermöglicht hätte.
In England würde der Deutscher, Prinz Albert zusammen mit seiner Frau, der Königin Victoria, gewesen sein und sie hätten mit dem Prinzen oder sogar dem König Kaspar zusammen arbeitet können. Kein durch Bismarck geführter Krieg gegen Dänemark 1864 hätte bedeutet, daß der britische Kronprinz, der Prinz von Wales (später König Eduard der VIIe) wahrscheinlich nicht seine bittere Abneigung gegen Deutschland entwickelt hätte. Seine Antipathie beruhte nicht zuletzt darauf daß seine Frau Alexandra, Prinzessin von Dänemark, die Preußen und die Deutschen haßte. Ihre Schwester war verheiratet mit Alexander III., Zar von Russland, und die Beziehungen zwischen dem Prinzen, dem Zaren und ihren dänischen Gemahlinnen war ein nicht unbedeutsamer Faktor in der Annäherung zwischen den beiden königlichen Familien, die schließlich zu der anglo-russischen Entente von 1907 und der Ost-West Einkreisung von Deutschland geführt hat. Ein weiterer nicht unwesentlicher Faktor war die gegenseitige Abscheu zwischen dem Prinzen von Wales und seinem Neffen Kaiser Wilhelm II. Diese fatale persönliche Beziehung vergiftete die Beziehungen zwischen England und Deutschland seit den 1880er Jahren. Und doch seit der Zeit der Ehe von Königin Victoria mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg 1840 waren die Beziehungen von zwei Generationen von den britischen und deutschen Königshäuser sehr eng geworden und der Einfluss der deutschen Kultur in England war ganz stark gewachsen. Es war ein Zeitalter in dem königliche Persönlichkeiten nicht unbedeutsam waren. Mit Victoria und Albert in England, und der ebenso glückliche Ehe zwischen ihrer Tochter Vicky und deren Mann Friedrich, Kronprinz von Preußen, hätten die Beziehungen zwischen England und Deutschland viel mehr erreicht wenn 1848 die Krone eines vereinten Deutschland einem Prinz Kaspar von Baden statt Friedrich Wilhelm IV. von Preußen angeboten worden wäre.
Zwar ist das alles «was wäre wenn…?» Aber es gibt noch ein ganz anderes «was wäre wenn…?» Stellen wir uns vor daß der Prinz Kaspar König eines vereinten Deutschlands geworden wäre und neue geistige und kulturelle Impulse in diesem vereinten Deutschland gefördet hätte. Ein Deutschland daß England nicht nachgeahmt hätte. Ein wahres Brückenorgan in der Mitte Europas zwischen Ost und West. Glauben wir daß «die neuen Römer» in England solch einen wahren Mittelstaat in Europa akzeptiert hätten? Ist es nicht wahrscheinlicher daß «die neuen Römer» dieses neue Deutschland des Königs Kaspar unterminiert hätten so daß es keine inspirierendes Modell den anderen Völker hätte zeigen können? Wenn ja, dann wäre es auf jeden Fall zu einem weiteren europäischen Krieg gekommen. Doch was anders geworden wäre, wäre daß Deutschland eigenen wahren Weg gegangen wäre. Deutschland wäre sich selbst treu geblieben. Das Böse wäre nur von der englischen Seite gekommen. Deutschland wäre jediglich ein Opfer des englischen Angriffs geworden. Aber all das ist nicht geschehen. Das Übelste in Menschen, in Deutschland und in England hat Kaspar ums Leben gebracht und dann hat Deutschland seinen wahren Weg nicht gewählt. Zusammen haben die Engländer und die Deutschen den gesunden Weg für Mitteleuropa blockiert.
Seit dem 17. Jahrhundert ist dreimal in der deutschen Geschichte sich eine geistige und kulturelle Bewegung entstanden, die einen alternativen Weg in die Zukunft angeboten hat im Gegensatz zu den Methoden des sozialen Systems das das Volk in jener Zeit unterdrückte. Zwischen 1614, als die ersten der Rosenkreuzer-Manifeste in Kassel erschienen, und 1618, als der 30-jährige Krieg begann, waren in den Manifesten und im Buch Die Chymische Hochzeit Christian Rosenkreutz Ideen angedeutet von einer dreifachen Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Religion. Diese Ideen hätten viel zur Heilung der sozialen Missstände der damaligen Zeit beigetragen haben. Die wurden von den 30-jährigen Krieg begraben. England hat sich in den Krieg nicht eingemischt; stattdessen verwendet England die Tatsache, daß seine Rivalen mit dem Krieg auf dem Kontinent beschäftigt waren, um auf den Weltmeeren und in Amerika und Asien die englische Präsenz aufzubauen. Goethes Lebenszeit, von 1749 bis 1832 erlebte die Ankunft in Mitteleuropa einer ganzen Konstellation von sehr bedeutsamen Figuren, die radikal neue Impulse in Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Religion gebracht haben. Zentral in diesem Zeitalter war ein Verständnis von Entwicklung und Evolution im Menschenwesen und in der natürlichen Welt und einer Wertschätzung der individuellen Qualitäten der Dinge, Menschen, Sprachen und Kulturen. Auch hier gab es eine Art dreifachen Impuls von Geist, Seele und Körper. Goethes Märchen von der Grünen Schlange und der Schönen Lilie (1795) hat viel von diesem dreifachen Impuls in künstlerischer Form zusammengefaßt. Dieser Geist wurde jedoch auch durch Krieg behindert, wenn auch nicht so völlkommen wie bei dem Rosenkreuzer-Impuls des 17. Jahrhunderts.
Der Krieg zwischen England und revolutionären, und später napoleonischen Frankreich war eine Fortsetzung des 100-jährigen Kampf zwischen England und Frankreich um die Weltherrschaft. Hätte es zwischen 1793 und 1815 keinen Krieg gegeben, ist es möglich, daß die neuen Kultursamen, gepflanzt in Mitteleuropa zu dieser Zeit, noch viel fruchtbarer geworden wären, als sie sich eigentlich entwickelten. Aber wir können sehen, daß diese dreifachen Ideen bei vielen Menschen in Mitteleuropa nach dem Tod von Beethoven, Hegel und Goethe weiterwirkten.
Zum Beispiel, der Ökonom Friedrich List schrieb in seinem Buch Das nationale System der politischen Ökonomie (1841):
Ich erkannte, dass die populäre Theorie nicht die Nationen in Betracht zog, sondern einfach die gesamte Menschheit auf der einen Seite oder den Einzelmenschen auf der anderen Seite.
Durch die «populäre Theorie» hier, meinte er die englischen Theorien des Freihandels, wie sie von Adam Smith und David Ricardo vertreten waren. Die englische Theorie basiert ganz auf dem Eigennutz des einzelnen Unternehmers, der die Welt als seine Austern betrachtet, wie wir in England es sagen würden. Wenn die opportunistischen englischen Investoren der damaligen Zeit Gelegenheiten höherer Gewinne bemerkten, entschieden sie sich in Unternehmen im Ausland zu investieren und nicht in eigenen Land.
Diese dualistische englische Betonung des Individuums einerseits und der Welt andererseits, aber nicht des dritten Elements, die Gemeinschaft zwischen dem Individuum und der Welt, ist immer noch sehr anwesend heute und bildet eine der Grundlagen des anglo-amerikanischen Kapitalismus – der einzelne Verbraucher oder die Firma auf der einen Seite und die Welt als Markt auf der anderen. Der anglo-amerikanische Ansatz betont nur die zwei Prinzipien des Individuums und der Welt. Er behauptet, daß das Zeitalter der Nationalstaaten vorbei sei und daß die Zukunft den transnationalen Konzernen und den transnationalen NGOs gehört, je größer desto besser. Aber die Wirklichkeit ist, daß wir Menschen als Individuen, als Mitglieder von geschichtlichen Gemeinschaften leben und als Menschheit als Ganzes. Wir haben diese drei möglichen Lebensweisen. In Mitteleuropa, das sich in einem dreifachen Europa eingenistet hat – West, Mitte und Ost, gibt es schon ganz normal ein Bewusstsein für diese Dreiheit des menschlichen Lebens. Großbritannien und Amerika sind jedoch im Wesentlichen Inseln, Großbritannien eine kleine und Nord Amerika eine sehr große, und Inselvölker neigen dazu, eine dualistische Sichtweise auf die Dinge zu fördern: Wir Insulaner gegen denen da drüben auf dem Kontinent. «Ich bin hier auf dieser Insel und die Welt ist da draußen.»
Dieser radicale Eigennnutz der reichen Leute in England und vieler Aristokraten kommt sehr klar zum Ausdruck im folgenden Zitat aus Markus Osterrieders neues Buch «Welt im Umbruch»:
Als der amerikanische Botschafter in Rom, Henry White, in Zusammenhang mit der Haager Abrustungskonferenz im Frühjahr 1907 eine Unterredung mit dem ehemaligen britischen Premier Arthur Balfour führte, äußerte dieser in ‹leichtem Ton›:«Wir sind wahrscheinlich töricht, das wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt.» White fragte erschreckt zurück: «Sie sind im Privatleben ein hochherziger Mann. Wie können Sie etwas politisch so Unmoralisches erwägen, wie einen Krieg gegen eine harmlose Nation zu provozieren, die genauso gut wie Sie das Recht hat, eine Flotte zu unterhalten? Wenn Sie mit dem deutschen Handel mithalten wollen, arbeiten Sie härter.» Daraufhin Balfour: «Das würde bedeuten, das wir unseren Lebensstandard senken müssten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher fur uns.» White antwortete: «Ich bin schockiert, das Sie sich zu grundsätzlichen Fragen so äußern können.» Balfour erwiderte, erneut ‹in leichtem Ton›: «Ist das eine Frage von Recht oder Unrecht? Vielleicht ist das aber eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft.
Wr war dieser Arthur Balfour? Englischer Prime Minister 1902-1905, er war der Neffe Lord Salisburys und war seinem Onkel als Prime Minister gefolgt. Salisbury, vielleicht der bedeutendste englische Politiker der spät viktorianischen Ära war dreimal gleichzeitig Prime Minister und Aussenminister und als Aussenminister wirkte er oft im Verborgenen. Aber wichtig ist daß diese beiden Männer, Onkel und Neffe, der Cecil Familie angehörten. Also, wie ich vorher gesagt habe, sehen wir hier zwei Angehörige der Cecil Familie die am Anfang des Untergangs des britischen Empire für das Staatsschiff verantwortlich waren, genau wir ihre Vorfahren, William und Robert Cecil, Vater und Sohn, in jener so wichtigen Übergangszeit zwischen 1590 und 1612 d.h. am Anfang des Aufstiegs des britischen Empire verantwortlich waren. Es war auch derselbe Lord Salisbury der 1887 den 20-jährigen Prozess der Umwandlung der traditionellen britischen Diplomatie die letztendlich zu den Ententen mit Frankreich (1904) und Rußland (1907) führte – die sogenannte englische Einkreisungspolitik die so oft in Deutschland erwähnt wurde. Salisbury hat das Eröffnungsmanövern dieses Prozesses eingleitet. Sein Neffe Balfour hat die Entente mit Frankreich vollendet die die Übergang bildete zur Entente mit Rußland, dem Verbündeten Frankreichs, durch die Regierung die derjengen von Balfour gefolgt war. Das wichtige Ziel von Onkel und Neffe, innerhalb der Regierung verfolgt, England in Verbindung mit Rußland zu bringen wurde ausserhalb der Re gierung auch durch den Kreis um den Prinz von Wales, dem späteren Edward VII verfolgt. Dieser Kreis war in der Lage Dinge durchzuführen die für die Politiker schwerer waren. Die beiden Cecils, Salisbury und Balfour waren sehf begabte Menschen nicht nur in der Politik aber auch in Naturwissenschaft, Philosophie, Theologie und auch Spiritualismus und Psychologie. Am allerwichtigsten aber war daß diese beiden Cecils, obwohl wir, heute rückblickend, erkennen daß die beiden am Anfang des Untergangs des britischen Empires standen, keineswegs eine solche Vorstellung hatten. Sie sprachen oft, im sozialdarwinistischen Ton, von untergehenden Völkern aber beide waren überzeugt daß England oder das Empire nicht untergehen würde. Und als es Balfour klar wurde, daß die so sehr erwünschte Imperiale Federation der weißen Rasse innerhalb des Empires nicht zum gezielten Ausmaß verwirklicht werden konnte, versuchte er mit Enthusiasmus aber auch mit Vorsicht eine anglo-sächsische Federation mit den USA zusammen zu bilden. In einer Rede von 1917 hat er geäußert daß diese Federation das höchste Ziel seines politischen Lebens gewesen war, und das durch den Krieg dieses Ziel ermöglicht werden würde. So sehen wir wie ein Cecil 1604 die Vorbedingungen der englischen Besiedlung Nordamerikas geschaffen hat, durch den Friedensvertrag mit Spanien, den Friedensvertrag den das englische Volk nicht gewollt hat, und wie sein Nachkomme, ein andererr Cecil, mittels eines Weltkrieges eine transatlantische Konföderation der englischsprachigen Völker zwischen den USA und dem britischen Empire zu schaffen suchte. Es führt eine direkte Linie von diesen Absichten Balfours und denjenigen der britischen Elite die mit ihm einverstanden waren, und den sogenannteen «5 Eyes», den «fünf Augen» (USA, UK, Kanada, Australien, Neuzeeland) die das globalen Überwachungsnetzwerk in unserer Zeit beherrschen und vorüber Anglea Merkel so besorgt ist.
Vor 100 Jahren entstand in Mitteleuropa eine weitere dreifache Bewegung, mehr selbstbewusst als die beiden Vorhergehenden. Dies war die anthroposophischen Bewegung von Rudolf Steiner, der sich nicht nur als eine Bewegung des esoterischen Christentums bezeichnete, sondern auch behauptete daß sie zum geschichtlichen Strom der beiden früheren Bewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts gehörte, d.h. demjenigen der Rosenkreuzer und auch demjenigen Strom um Anfang des 18. Jahrhunderts den wir im allgemeinen den Strom der goetheschen Wissenschaften nennen könnten.
Endgültig hat die Steiner Bewegung eine umfassende Imagination einer dreigliedrigen Gesellschaft die auf Freiheit im Kulturleben, Gleichheit im Rechtsleben und Brüderlichkeit und Zusammenarbei im Wirstschaftsleben hervorgebracht hat. Doch diese mitteleuropäischen Impulse wurden noch einmal durch den Ausbruch eines Krieges verhindert - der Erste Weltkrieg, der maßgeblich mit der Rivalität zwischen England und Deutschland zu tun hatte, eine Rivalität die sich nie zu entwickeln gebraucht hätte. Doch entwickelte sie sich wegen der Einmischung Englands in deutsche Angelegenheiten und auch wegen des Versäumnisses in Deutschland, die eigene wahre Natur der deutschen Kultur zu erkennen. England hatte seit langem sich selbst als das Land der Freiheit bezeichnet und doch, um sein Eigennutz zu fördern, hatte England sich so oft in das Schicksal anderer Völker eingemischt. In den Jahrzehnten vor 1914 hat England versucht, Deutschland als wirtschaftlichen Konkurrenten zu verringern, aber ohne Erfolg und deswegen, um dieses Ziel zu erreichen, und auch aus seine Furcht vor einer möglichen Verbindung zwischen Deutschland und Russland, haben Elitenverschwörer in England, zusammen mit ähnlichen Leuten in Frankreich und Russland, einen Krieg gegen Deutschland ausgeheckt. Deutschland seinerseits, das schon über ein Jahrhundert sich selbst als das Land der Ichheit, das Land von Hölderlin, Hegel, Herder, Goethe, Schiller und Fichte, das Land des Individuums an sich angesehen hatte, hat versäumt, seine eigene höhere Kultur eigen zu verwirklichen und stattdessen versucht, die Eigenschaften anderer Völker nachzuahmen. Wie Friedrich Nietzsche, hat Rudolf Steiner oft diese Neigung der Deutschen seines Zeitalters kritisiert, doch hob er auch die Art und Weise hervor, in welcher die Kulturen um Mitteleuropa – im Süden (Rom und die katholische Kirche), im Westen (Frankreich und England), im Osten (Rußland) sich in das Schicksal Mitteleuropas vorsätzlich eingemischt hatten. Ein bemerkenswertes und tragisches Symptom im Schicksal Deutschlands ist 1918 geschehen als Rudolf Steiner sich zweimal mit dem Prinzen Max von Baden, dem letzten Kanzler des kaiserlichen Reiches getroffen hat. Der Prinz war der direkte Nachkomme der beiden Frauen von Baden die das Leben Kaspar Hausers ruiniert hatten. Als Haupt des Hauses Baden war Max von Baden der Nutzniesser – der Verbrechen gegen Kaspar Hauser, der Verbrechen am Anfang Kaspars Leben 1812 und auch das am Ende 1833. Steiner hat versucht Max von Baden zu überzeugen, natürlich ohne Druck oder Zwang, den Krieg auf der Grundlage der Idee der Dreigliederung des sozial Organismus zu beenden d.h. eine Idee die in der gesamten menschlichen Dreigliedrigkeit (Geist, Seele, Körper), in der menschlichen Physiologie (Nervensystem, Blutkreislauf, Stoffwechselsystem) und auch im menschlichen sozialen Leben (Geistesleben, Rechtsleben, Wirtschaftsleben) verwurzelt ist und auch in den geschichtlichen Erfahrungen Mitteleuropas. Steiner wollte daß Mitteleuropa der Welt gegenüber etwas Edles und Erhabenes zeigen sollte, etwas das sich aus dem mitteleuropäischen Geistesleben entwickelt hatte und dass statt des abstrakten Programms aus dem Westen, der 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, aus der Katastrophe des Krieges heraus einen gesunden Weg bahnen konnte. Doch hat Max von Baden diesen Rat nicht beherzigt; er beendete schließlich auf der Basis der Wilsonschen 14 Punkte sowohl das Reich als auch den Krieg. Für Steiner hat das eine geistige Kapitulation Deutschlands bedeutet, die er verglich mit der militärischen Kapitulation.
Wie Jesus Christus zwischen zwei Mächten buchstäblich gekreuzigt wurde – der alten geistigen Macht der jüdischen Priester und der neuen militärischen und politischen Macht des römischen Reiches, so wurde Kaspar Hauser metaphorisch zwischen zwei Mächten gekreuzigt – den alten religiösen und politischen Kräften die hinter den Thronen in Wien, München und Karlsruhe standen und der neuen Wirtschaftsmacht – England. Und die Angriffe gegen Kaspar Hauser gehen weiter, 180 Jahre nach seinen Tod; bösartige Angriffe sind seit den 1990ern sowohl im deutschen wie im englischen Sprachraum erschienen - im Spiegel 1996 mit ihrer so-genannten DNA Untersuchung, die aber 2002 durch einen weiteren DNA-Test widerlegt wurde, und auch im Buch Kaspar Hauser – Europe’s Child, in 2001 von Martin Kitchen, einem kanadischen militärgeschichtlichen Historiker. Doch der Geist Kaspar Hausers lebt weiter und inspiriert noch all diejenigen die sich für seine Geschichte interessieren, diese Geschichte der Suche nach der menschlichen Identität und sein Streben, Mensch zu werden, trotz allem womit die Welt ihn beworfen hat. Die Leute fühlen auch die Güte in den Menschen um Kaspar in Nürnberg und Ansbach die versuchten Kaspar, diesen unbekannten, namenlosen Soldat, in seinem Kampf zu helfen. Unmittelbar bevor man ihn hier in Ansbach am 14 December tödlich niedergestochen hat, wurde Kaspar von seinem Mörder einen Beutel überreicht; er wurde ihm mitgeteilt daß der Beutel eine Mitteilung von seine Mutter enthielt. Stattdessen war es eine Mitteilung vom Mörder selbst – in Spiegelschrift geschrieben. Hier in Deutschland bei diesen Festspielen, werden Leute dabei sein die sicher ahnen werden warum in 1996 Der Spiegel angekundigt hat daß die Geschichte Kaspar Hausers eine romantische Phantasie der Biedermeierzeit sei an der das deutsche Volk nicht mehr glauben sollte. Nach dem was ich in diesem Vortrag gesagt habe werden Sie hoffentlich verstehen warum Der Spiegel eine britische DNA Fachmann beauftragte, namens John Bark, der damals für die britische Regierung arbeitete, um in der DNA Untersuchung mit zu arbeiten und vielleicht auch warum die Untersuchung in dem diese Brite teilgenommen hat war von Der Spiegel, sozusagen unterschwellig, mit dem Namen des weltberühmten britischen Geheimagent James Bond 007 in Verbindung gebracht. Auf dem Deckblatt des Spiegel am 25.11.1996, außer Kaspar Hauser selbst, steht nur eine Andeutung an «Agent Mauss der deutsche 007» (ein Fernsehdrama der damaligen Zeit).
Kaspars gute Lehrer in Nürnberg, Georg Friedrich Daumer, ein Schüler Hegels, über Kaspar geschrieben hat daß der Glaube an die Geschichte Kaspar Hausers
ein dem deutschen Volke eigener und natürlicher [ist]; die Nation braucht sich desselben nicht zu schämen; er beruht auf ihrem Sinn und Gefühl für Wahrheit und Gerechtigkeit, und sie wird sich denselben auch schwerlich entreissen lassen. Wer es zu tun versucht, der steht nicht auf deutschem Grund und Boden; wohl aber stehen auf solchem wir, die Verteidiger, und können hoffen, die volkstümlichen Sympathien für uns zu haben. Wir vertreten hier nicht nur die Unglücklichen und uns selbst, die seinethalb Verfolgten, Geschmähten und Gekränkten, sondern auch unsere Nation und unseren Nationalcharakter…könnte sich das Volk zu der herz- und geistlosen Kritik bekehren lassen, welche aus dieser Geschichte eine Fabel macht und dabei mit so viel Härte, Lüge, Fälschung, und Lücke verfährt, so wäre es nicht mehr wahrhaft deutsch; und wir unsererseits würden uns nicht mehr viel darauf zu Gute tun, Deutsche zu sein.
Einige würden vielleicht sagen: «seit 1945 und alle was in der Nazizeit passiert ist, seien solche Worter irrelevant», aber Daumer schrieb hier nicht in einem engen nationalistischen oder chauvinistischen Sinn. Er sprach über die Verbindung der Menschen Mitteleuropas zum Geistesleben. Von dieser Verbindung der Menschen Mitteleuropas zum Geistesleben schrieb Schiller in seinem Gedichtsfragment Deutsche Grösse. Ich zitiere nur ein Paar Zeilen.
Ewige Schmach dem deutschen Sohne
Der die angeborne Krone
Seines Menschenadels schmäht
Der sich beugt vor fremden Götzen,
Der des Briten toten Schätzen
und des Franken lüstern späht
Was Schiller hier schreibt über des Briten tote Schätze erinnert mich an die traurige Musik des englischen Komponisten des 17. Jahrhunderts, Henry Purcell, die im deutschen Film Der Untergang verwendet wurde. Die Musik kommt aus Purcells Oper Dido und Aeneas und heißt Dido’s Lament (Das Klagelied Didos). Dido, die Königin von Karthago, von Aeneas verlassen, bereitet sich auf ihren Tod vor und singt
Wenn ich in der Erde begraben sein werde,
Möge mein Unrecht keine Mühe machen,
Keine Sorge in Deine Brust;
Erinnere Dich an mich, erinnere dich an mich doch ach!
Vergiss mein Schicksal.
Erinnere Dich an mich, erinnere dich an mich doch ach!
Vergiss mein Schicksal.
Erinnere Dich an mich, doch ach!
Vergiss mein Schicksal.
Purcell war Englands letzter bedeutender Komponist bevor die englische Kultur in der Erde begraben wurde, in dem Grab von Materialismus, Imperialismus und industrieller Entwicklung. Bis zum frühen 20. Jahrhundert hatte England keine bedeutenden Komponisten mehr. Purcell ist 1659 geboren und 1695 gestorben, dem Jahr nach der Gründung der Bank of England. Didos Klagelied klingt wie ein Klagelied um das alte England vor der Industralisierung des Landes. Nach seinem Tod wurde es so, als ob wunderbare Musik in England nicht mehr möglich war, wenigstens nicht mehr von englischen Komponisten. Zwar war Händel in England im 18. Jahrhundert, aber er war kein Engländer. Während das Volk all seine besten Energien in Handelsverkehr, Naturwissenschaft, Industrie und Finanz – des Briten toten Schätzen lenkte – war die Musik in England tot, begraben. Und dann in den 1830ern, nach dem Tod Kaspar Hausers, fasziniert von der Reichtümern der Engländer, von ihrem materiellen Lebensstil und von der Industriemacht und Kraft des englischen Wirtschaftswunders fangen die Deutschen an, diese englische Totenkopfkultur nachzuahmen, so daß in den 1890ern die Engländer endlich in diesen deutschen ‹Englandspiegel› blickten und waren beunruhigt. Denn Deutschland zeigte den Engländern wie sie selbst in der Erde begraben worden waren, in der Erde des Materialismus. In diesem deutschen Spiegelbild konnten die Engländer wohl die Extirpation des englischen Geistes zugunsten des englischen Reiches erkennen mit Neid und Mißgunst, weil Deutschland das Bild einer Gesellschaft widerspiegelte die im materialistischen Sinne im Vergleich mit England schon erfolgreicher und effizienter geworden war. Aus Angst daß Deutschland und das riesige Rußland sich miteinander verbünden könnten, hat die englische Elite beschlossen, eine diplomatische Revolution in ihrer Außenpolitik durchzusetzen und gegen Deutschland Krieg zu führen – ein zweiter 30-jähriger Krieg der bis 1945 gedauert hat. Es ist diese Musik von Purcell - Didos Klagelied – die so trauervoll und tragisch durch den Film Der Untergang tönt als im letzten Monate des Krieges Berlin fast völlig zerstört wurde. Gespielt wird diesselbe trauervolle Musik jedes Jahr in November bei der nationalen Gedenkfeier vor dem Außenministerium im Zentrum Londons.
Wie können wir, Briten und Deutschen, einen Ausweg aus dieser tragischen Geschichte zwischen England und Deutschland im letzten Jahrhundert finden? Erstens, nur dadurch daß wir als individuelle Menschen versuchen, unsere eigene Geschichte und die Geschichte Englands und Deutschlands richtig zu verstehen. Und was heißt hier ‹richtig›? ‹Richtig› heißt daß wir selbst denken, versuchen die Dinge zu durchschauen und nicht die Medien für uns denken und alles erklären lassen. Die Wichtigkeit dieses Punktes wird gerade im gegenwärtigen Ukrainakrise ganz klar. Was heißen ‹Beweise› zum Beispiel? Oder Urteilsbildung? In der Debatte in den nächsten 4 Jahren über den ersten Weltkrieg und seinen Ursprung, wie kommen wir zu einer Urteilsbildung. Das Buch «Die Schlafwandler» von Christopher Clark ist gut insofern daß es nicht einseitig ist. Die Sichtweise ist ein mehr Umfassendes, und das Streben umfassend, inklusiv zu sein, ist ein gutes positives Element der englischen Kultur. Es stammt aus den weltweiten Erfahrungen der Engländer durch ihre lange Geschichte. Aber man kann sehr weitsichtig sein ohne zu bemerken daß ein kleines aber wichtiges Problem gerade dort vor der Nase liegt. Man muß die richtige Frage stellen und in den richtigen Stellen kucken. Und Christopher Clark macht das manchmal nicht. Er blickt nach Paris und Belgrad ja, und nicht nur nach Berlin und Wien wie die anderen so oft getan haben, aber er blickt nicht so sehr nach London. Er nimmt an, daß die englische Elite, Sir Edward Grey zum Beispiel, nur schläfrig oder schusselig war. Gelegentlich vielleicht waren sie das, wie alle Menschen, aber so bekommt man, so schafft man kein Weltreich! Viel umfassender, viel einsichtiger, meines Erachtens, ist das neue Buch von Markus Osterrieder – Welt im Umbruch - das in April veröffentlicht wurde.
Ein bessere Weg in die Zukunft für Engländer und Deutsche kann nicht nur in guten Gefühlen und Absichten bestehen. Wir müssen zusammen die Wahrheit unserer Geschichte entdecken und dazu muß aller Stolz, alle nationalistischen Neigungen beiseite gelassen werden. Das wird besonders schwer für Weltmachtsüchtigen. Aber durch jenes dunkle Tal der Weltmachtsucht sind viele Deutschen schon durch- und hinaus gegangen. Hoffentlich können die Deutschen den Weg finden den Engländern ein bißchen zu helfen, daß sie auch durchkommen. Geschichtliches Gewissen wird zum Licht auf diesem dunklen Weg. Wer bin ich eigentlich? Woher stamme ich? Was soll ich in meinem Leben tun? Für was bin ich verantwortlich and was nicht? Diese sind ‹Kaspar Hauser Fragen›. Fragen nach individueller Identität. Die können aber auch Fragen für Gemeinschaften, Gesellschaften, Völker, Nationen werden weil Völker und Gesellschaften auch individuelle Eigentümlichkeiten, Ursprünge, bevorstehenden Wahlen. Wir haben wir vor uns in Großbritannien in September zum Beispiel die schottische Unabhängigkeitswahl.
Meines Erachtens ist einer der größte Mitteleuropäer der gerade mit der Erringung des geschichtlichen Gewissens den Menschen helfen wollte, war Rudolf Steiner. Er hat in einem unglaublich umfassenden Vortrag am 15.1.17 angedeutet, daß es schon seit langem her und auch in der Zukunft eine Art geschichtlicher dialektischer Auseinandersetzung zwischen Mitteleuropa und der europäischen Peripherie gibt. Er hatte kein Interesse an irgendwelchen Beschuldigungen. In der Weltgeschichte, sagte er, mußten die Engländer bis dann das tun was sie zu tun hatten:
Der Welt die materielle, industrielle, kommerzielle Kultur zu geben ist ja nichts Schlechtes, ist durchaus eine Notwendigkeit. Aber ein Gegenpol muß da sein, denn die Menschheitsentwickelung kann nicht so fortgehen, daß die Evolution einfach in einer geraden Linie geht. Aufeinanderprallen müssen die Gegensätze, und in ihrem Aufeinanderprallen entwickelt sich die Realität. Und in Mitteleuropa war immer eine Ansammlung von Impulsen nötig, welche zum Teil mit den nach der Peripherie ausgestrahlten Impulsen arbeiteten… zum Teil aber gerade das in vieler Beziehung sogar tragische Schicksal hatten, sich jenen Impulsen entgegenstellen zu müssen.
Steiner zeigte wie die Völker Mitteleuropas sich immer gegen Impulse die aus der Peripherie hereinbrachen engagiert hatten mit dem Ergebnis in der Regel dass Mitteleuropa in gewissem Maße eine Reflexion (ein Spiegelbild) dieser Impulse geworden war. Das ist ein Ausdruck der wechselhaften, anpassungsfähigen Natur MItteleuropas. Steiner zufolge:
[wird] die Welt …in der Zukunft noch mehr von Industriellem und Kommerziellem durchsetzt sein; aber der Widerpol, der Gegenpol muß da sein: Menschen müssen da sein, die aus Verständnis heraus auf der entgegengesetzten Seite arbeiten.
In diesem Sinn, behauptet er dass zwei Aussagen Jesu Christi Leitsätze werden müssen für denjenigen, die der einseitigen materialistischen Kulturwelle, die auf uns alle in unserer Zeit entgegenschlägt, widerstehen wollen. Diese Kulturwelle kommt auf uns alle als Menschen zu und zwar überwiegend vom Westen her, aus den USA. Zu diesen Leitsätze bemerkt Steiner:
Begriffen werden sollen aber die Sätze: «Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist» und «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Dann wird die Atmosphäre des Geistigen kommen, die nichts zu tun hat mit allem Materialistischen, was sich gerade…auf dieser Erde entwickeln muß. Aber dazu ist eben notwendig… daß Ihr Herz sich bestreben möge, die Dinge in ihrer Wahrheit anzusehen. Nur wenn es Herzen gibt, die die Dinge in ihrer Wahrheit sehen, und die jenen furchtbaren Nebel von Unwahrheit durchschauen, der sich heute über die Welt ergießt, kommen wir in entsprechender Weise weiter.
Mit diesen während des ersten Weltkrieges gesprochenen Worten die so direkt nicht nur die gegenwärtigen Verhältnisse in Europa betreffen sondern auch unsere Wahrnehmung und under Verständnis des Lebens des Kindes Europas und seine Bedeutung nicht nur für Mitteleuropa sondern auch für die Welt, möchte ich abschliessen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit.
Terry Boardman
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